Betriebe ohne Tarifbindung schneiden bei der Entgeltgleichheit schlechter ab: Die Lohnlücke zwischen Mann und Frau fällt dort deutlich größer aus.
Arbeitnehmerinnen verdienen nach wie vor weniger als Arbeitnehmer: Der Rückstand bei den Bruttolöhnen liege seit Jahren stabil zwischen 22 und 23 Prozent, so Veronika Grimm, Julia Lang und Gesine Stephan. Die Ökonominnen von der Universität Erlangen-Nürnberg und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) haben untersucht, welche Rolle Tarifverträge in diesem Zusammenhang spielen. Ihrer Analyse zufolge ist der Rückstand der Frauen in tarifgebundenen Unternehmen geringer. Die Unterschiede zu den Betrieben ohne Tarif sind im Zeitverlauf größer geworden.
Dass kollektive Lohnverhandlungen sich auf die Entgeltgleichheit auswirken, halten die Forscherinnen aus mehreren Gründen für plausibel. Zum einen seien Frauen überproportional in den unteren Lohngruppen vertreten, die von Tarifverträgen besonders profitieren. Zum anderen hätten sich Gewerkschaften das Thema Gleichberechtigung auf die Fahnen geschrieben. Generell sei davon auszugehen, dass Diskriminierung durch die Standardisierung von Löhnen abnimmt.
Wie sich der Zusammenhang empirisch darstellt, haben die Wissenschaftlerinnen anhand eines umfangreichen IAB-Datensatzes für die Jahre 2000 bis 2010 rekonstruiert. Ihre Analyse bezieht sich auf Bruttotageslöhne von sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten in Betrieben mit Flächentarifvertrag oder ohne Tarifbindung.
Der Auswertung zufolge hat sich im Beobachtungszeitraum bei den Betrieben ohne Tarif kaum etwas am Gender Pay Gap geändert. Bei den tarifgebundenen Betrieben ist die Lohnlücke dagegen um etwa sechs Prozentpunkte geschrumpft. Der Unterschied zwischen den Firmen mit und ohne Tarif, der bereits im Jahr 2000 vier Prozentpunkte betrug, ist bis 2010 auf zehn Prozentpunkte gewachsen. Wenn man Merkmale wie Alter, Nationalität und Qualifikation der Beschäftigten oder die Betriebsgröße herausrechnet, ändert sich wenig an diesem Befund: Auch der bereinigte Gender Pay Gap fällt deutlich geringer aus, wenn ein Flächentarif gilt. Auch hier ist die Diskrepanz zwischen tarifgebundenen und ungebundenen Betrieben seit 2000 größer geworden.
Dass die Unterschiede beim bereinigten Gender Pay Gap zugenommen haben, könnte nach Einschätzung der Autorinnen mit den Hartz-Reformen zusammenhängen. Die könnten dazu geführt haben, dass insbesondere Frauen „mit vergleichsweise ungünstigen Arbeitsmarkteigenschaften“ Jobs in tariffreien Sphären angenommen haben. Zudem dürfte sich auswirken, dass viele tarifgebundene Unternehmen eher schlecht bezahlte Tätigkeiten mit hohem Frauenanteil wie Reinigungsdienste an Fremdfirmen ohne Tarif vergeben haben.