Im (Irr-)Glauben daran, dass Privatisierungen Dienstleistungen grundsätzlich besser, billiger und bürgernäher machen, schüttelte « Vater Staat » immer mehr Aufgaben ab. Gegründet wurde der « Staat im Ausverkauf » hierzulande 1983 mit der von Kanzler Helmut Kohl ausgerufenen « geistig-moralischen Wende ». Seither wurden Märkte selbst dort geschaffen, wo es sie allenfalls in längst vergessen geglaubten Zeiten gab: beim Betrieb von Autobahnen, Krankenhäusern, Gefängnissen, bei Wasser-, und E-Werken.
Angesichts klammer kommunaler Kassen setzten auch Städte und Gemeinden auf « Entstaatlichung ». Privatunternehmen bauen, renovieren und betreiben inzwischen in nahezu allen Städten Schulen. Kommunale Krankenhäuser wurden vielerorts an private Klinikbetreiber verkauft. Und unzählige Städte und Gemeinden folgen dem Beispiel der Stadt Dresden, die 2006 den Verkauf des gesamten kommunalen Wohnungsbestands beschloss.
Seit geraumer Zeit zweifeln jedoch immer mehr Bürgermeister am allseits proklamierten « Verkauf des Tafelsilbers ». Sie werden mit der Frage konfrontiert, warum der Hausmüll von privaten Konzernen wie Remondis oder Veolia entsorgt wird, obwohl die Preise doch in fast allen Kommunen, in denen die Abfallentsorgung privatisiert wurde, in die Höhe schnellten.
Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) stehen zwar nach wie vor hoch im Kurs, aber langsam dräut den Lokalpolitikern, dass das, was nach Partnerschaft zugunsten des Staates klingt, häufig Komplizenschaft zu seinen Lasten ist. Der Bau der Hamburger Elbphilharmonie, bei dem die Stadt als Zahlmeisterin einspringen musste, liefert dafür einen prominenten Beleg wie die Berliner Wasserversorgung. 2013 kaufte das Land Berlin die teilprivatisierten Wasserbetriebe vom Veolia-Konzern zurück, nachdem sich die Hauptstädter in einem Volksentscheid zu 98,2 Prozent für die Rekommunalisierung ausgesprochen hatten. Auch Bochum, Hamburgund Leipzig haben ihre Energieversorgung wieder unter das kommunale Dach zurückgeführt. Es wird wohl zahlreiche Nachahmer geben, wenn bald Tausende Konzessionsverträge für die Strom- und Gaszufuhr auslaufen.
Für die Rückbesinnung auf kommunale Wirtschaftstätigkeit sind aber nicht in erster Linie die politischen Mehrheiten vor Ort entscheidend. Wie das Deutsche Institut für Urbanistik betont, finden Rekommunalisierungen vor allem in wirtschaftlich schwachen Regionen statt, um den Arbeitsmarkt zu stärken. Viele Städte und Gemeinden wollen zudem eigenverantwortlich auf atom- und kohlekraftfreien Strom setzen – so etwa die erfolgreichen Elektrizitätswerke Schönau. Vielfach paaren sich ökologische mit finanziellen Interessen. Zu beträchtlich waren die Gewinne, die die Energieriesen früher aufgrund monopolartiger Strukturen abschöpfen konnten.
Auch bei der Reinigung von Schulen, Turnhallen und Behörden vollzieht sich eine Kehrtwende. Freiburg holte 1999 die Gebäudereinigung unter das kommunale Dach zurück, später Dortmund, Bochum, Grevenbroich. Die Verantwortlichen der Kommunen sind sich einig: Ihre geringen Kontrollmöglichkeiten bei der Reinigungsqualität sowie die fehlende Prüfmöglichkeit von Sozialstandards führten zu dem Entschluss, an Private vergebene Aufträge zurückzuholen.
Ob die kommunalen Erfolgsgeschichten fortgeschrieben werden können, hängt von einer Reihe finanz- und steuerpolitischer Rahmenbedingungen ab. Werden die Möglichkeiten der kommunalen Quersubventionierung weiter eingeschränkt, können die Stadtwerke nicht länger mit Überschüssen aus dem Verkauf von Energie und Wasser den ÖPNV, die Schwimmbäder oder Kulturelles finanzieren. Zudem braucht es Aufklärung: Für Politiker, die mit Blick auf ihre (Wieder-)Wahl auf Erfolge wie einen ausgeglichenen Haushalt in der vier- oder fünfjährigen Legislaturperiode verweisen können wollen, sind Privatisierungen nur dann attraktiv, wenn die Wählerschaft nicht weiß, dass es sich bei ÖPPs um eine versteckte staatliche Kreditaufnahme zulasten künftiger Generationen handelt.
Wollen die Kommunen eine auf sozialen Ausgleich angelegte Daseinsvorsorge mittels bürgernaher Beratung, gestaffelten Gebühren und unentgeltlicher Nutzungen leisten, müssen sie die historisch niedrigen Zinsen trotz rückläufiger Steuereinnahmen für Rückkäufe nutzen. Gelingen diese, wird die Debatte um Rekommunalisierungen nicht länger von Reflexen – « Staatssozialismus » oder « Kommandowirtschaft » – dominiert werden. Wenn geschlossene Schwimmbäder, Theater und Museen, erhöhte Preise für Wasser, Strom und Gas sowie steigende Kita-Gebühren als unerwünschte Privatisierungsfolgen begriffen werden, dürfte die « Verbetriebswirtschaftlichung » der öffentlichen Daseinsvorsorge ein Ende finden. Es bleibt zu hoffen, dass die im Schatten der Finanzmarktkrise viel beschworene Renaissance des Staates nun endlich Platz greift.